»augsburg contemporary« verändert sich

Das Kunst-Netzwerkprojekt Art X Augsburg präsentiert bis 6. Januar 2024 Arbeiten von Katharina Schellenberger und Maria Wallenstål-Schoenberg. 2024 geht es auf neuen Wegen weiter. | Artikel von Bettina Kohlen in a3Kultur vom 24.12.2023

Das ausgehende Jahr 2023 über wurde die Galerie »augsburg contemporary« in der Bergstraße im Monatstakt von wechselnden Akteur*innen mit künstlerischem Leben gefüllt – das Netzwerkprojekt »Art X Augsburg« machte es möglich. Jeweils eine Institution und dazu die gastgebende »Zweigstelle Berlin« luden Künstler*innen ein, ihre jeweiligen Arbeiten zusammenzubringen oder auch gemeinsame Konzepte zu entwickeln, wenn nicht sofort, dann vielleicht später.

Für die vorhergehende Ausstellung »Vertiefungen« hatte die Sammlung Finstral den interdisziplinär arbeitenden Ulrich Egger eingeladen. Seine Partnerin war als Gast der Zweigstelle Berlin die Film- und Fotografiekünstlerin Karen Irmer. Für diese Schau wurden zwei Künstler*innen zusammengebracht, die sich in ihren Werken mit unserer Umgebung auseinandersetzen – Irmer mit der Natur, Egger mit Architektur. 

Der Südtiroler Ulrich Egger näherte sich hier einem »lost place« sowohl fotografisch als auch skulptural. Er zeigt uns, das ein Wohnhaus weit mehr ist als gebaute Hülle, Funktion und Ästhetik: neben ihrer konkreten Existenz sind Räume auch geistige, emotionale und historische Heimat ihrer Bewohner*innen. Egger legt jedoch nicht unbarmherzig offen, er wahrt die Geheimnisse des Ortes, so dass wir beginnen, Fragen zu stellen. Die korrespondierende Betonskulptur vermittelte zwar die Kubatur des Baus, blieb aber geschlossen und abweisend. Die Wandöffnungen sind nur Schein. Umgeben von einer diffusen Melancholie betört diese Geschichte dennoch sehr.

Auch Karen Irmers von konzentrierter Ruhe sprechende Waldlandschaften umgibt ein Schimmer von Sehnsucht und Tiefe. Nie erfahren wir Näheres zum wo und wie ihrer Fotografien – durch einen engen Bildausschnitt und die eigenartig unspezifischen Bäume entziehen sie sich einer Verortung – doch die Künstlerin öffnet der Betrachter*in ein Fenster in eine Waldlichtung von märchenhafter Anmutung. Wer geduldig hinsieht, dem öffnen sich weite Räume…

»Überlagerungen«, die letzte Projektausstellung des Jahres bestreiten Katharina Schellenberger, eingeladen vom BBK Schwaben-Nord und Augsburg, und Maria Wallenstål-Schoenberg als Gast der Zweigstelle Berlin.

Schellenberger ließ sich für die Serie »Documentas« auf Vorgegebenes ein, indem sie Fehldrucke von Buchseiten, die ein Künstler bei der letzten Dokumenta aussortierte, als Bildträger ihrer Fingerzeichnungen nutzte. Die Ölfarbe trug sie ohne weitere Vorzeichnung auf das bedruckte Papier auf, wobei ihre transluzid farbige Figuren mit dem vorhandenen Satzspiegel korrespondieren und dem Untergrund Raum gewähren. Papier, Buchstaben und Zeichnung separieren sich deutlich voneinander, gehen aber dennoch eine innige Verbindung ein.

Ausstellungspartnerin Wallenstål-Schoenberg, die in ihrer Leinwandmalerei starkfarbige Farbformen und -felder eindeutig gegeneinander setzt, löst in den hier zu erlebenden luftigen Aquarellen die Konturen der farbigen Elemente so auf, dass dieser uns gewährte abstrakte Blick in ihren Garten schwebend flirrende Assoziationen zulässt. 

Wie geht es weiter?

Das Netzwerkprojekt »Art X Augsburg« hat – zumindest vorübergehend – Kunst-Institutionen und die beteiligten Künstler*innen miteinander ins Gespräch gebracht. So sind reizvolle temporäre Konstellationen entstanden, die Lust auf mehr machen. In diesem ersten Schritt waren 2023 Institutionen aus der engeren Region involviert, doch wird im kommenden Jahr der Blick weiter gefasst sein.

Zum Jahresende zieht sich die Galeristin Claudia Weil, die 2019 gemeinsam mit Andreas Stucken (»Zweigstelle Berlin«) »augsburg contemporary« gegründet hatte, zurück. Ab Januar 2024 führt Stucken die kleine prägnante Galerie als Projektraum weiter, in dem Künstler*innen Konzepte realisieren können, die in anderen Kontexten nicht ohne weiteres möglich sind. Der Galerist legt den Fokus auf Einzel- bzw. Doppelprojekte mit zeitgenössischen Künstler*innen, er wird aber auch die Vernetzung mit weiteren Institutionen und Galerien im Rahmen von Art X Augsburg vorantreiben.

Das neue Programm startet im Januar mit der Berliner Künstlerin und Filmemacherin Bettina Hutschek, im März folgt der aus London stammende und in Augsburg lebende Maler Daniel Man.

Das Netzwerkprojekt »Art X Augsburg« wird im Juni mit der »Neuen Galerie Landshut« fortgesetzt.

21.1. – 2.3.2024: Bettina Hutschek

17.3. – 20.4.2024: Daniel Man

5.5. – 8.6.2024: Oleksiy Koval

16.6. – 20.7.2024: Art X Augsburg | Neue Galerie Landshut

28.7. – 31.8.2024: Anja Behrens | Anna Maria Kursawe

22.9. – 26.10.2024: Jürgen Paas

10.11. – 14.12.2024: XMAS Art Sale

Die Zeit ist reif

Andreas Stucken über "Art X Augsburg" bei a3Kultur im Gespräch mit Jürgen Kannler

a3Kultur: Wie hast du die Partner für "Art X Augsburg" gefunden?

Ich habe das Projekt „Art X Augsburg“ aufgrund einer mir fehlenden Vernetzung zwischen den Augsburger Kultur-Institutionen / Galerien entwickelt. Ich kenne solche Zusammenarbeiten aus anderen Städten, Berlin (Gallery Weekend), Landshut (Kunstnacht) und München (Open Art), die dort sehr gut funktionieren und Synergien produzieren. Dann habe ich den mir bekannten Augsburger Galerien / Institutionen das Projekt vorgestellt und insgesamt 7 von 10 dafür gewinnen können. Daraus ist dann ein Netzwerkprojekt für Bildende Kunst im Projektraum augsburg contemporary in Augsburg-Göggingen, Bergstr. 11 geworden. Die gastgebende Galerie Zweigstelle Berlin sowie kulturelle Institutionen und Galerien aus Augsburg (fotodiskurs, Kunstraum am Pfarrhof Leitershofen, Kunstverein Augsburg, Ecke Galerie, maxgalerie, SAMMLUNG FINSTRAL, BBK Augsburg) zeigen dort jeweils paarweise neue Positionen. Das Format der Doppelausstellung bietet den Kunstschaffenden auch die Möglichkeit, gemeinsame Arbeiten zu entwickeln. Mit dem Netzwerkprojekt strebe ich, Andreas Stucken, Co-Betreiber von augsburg contemporary und Inhaber der Zweigstelle Berlin, eine stärkere Vernetzung und Sichtbarkeit der Kunsteinrichtungen in Augsburg an. 
 

"Art X Augsburg" geht nun in das – vorerst – letzte Drittel. Was hast du bisher aus dieser Zeit mitgenommen?

Nachdem mir jede Galerie / Institution eine/einen Künstler(in) vorgeschlagen hat, konnte ich darauf reagieren und eine/einen Künstler(in) aus meinem Portfolio dazu aussuchen. Dies hat sehr gut funktioniert, es entstand immer eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen den Künstlern, die auch ein gemeinsames Ausstellungskonzept entwickelt haben, wie in der aktuellen Ausstellung „Kontext“ mit Angela Stauber, die eine raumgreifende Wandmalerei im Projektraum installiert hat, auf die Manuel Frattini seine Arbeiten gehängt hat. Dies hat mir sehr viel Spaß gemacht und mir und hoffentlich auch den Besuchern, neue Sichtweisen auf die Kunst ermöglicht. Das Arbeitsverhältnis mit meinen Kooperationspartnern war immer sehr kollegial und es ergeben sich daraus neue Ansatzpunkte für eine weitere Zusammenarbeit im Sinne der Gegenwartskunst in Augsburg, dies natürlich auch dank den Sponsoren/Förderern des Projektes.

Wie bewertest du die Szene für Gegenwartskunst in unserer Kulturregion?

Die Gegenwartskunst in unserer Kulturregion ist vielfältig, aber ausbaufähig. Ich würde mir mehr Orte dafür wünschen, neue Galerien / Kunststandorte, die von jungen Künstlern / Galeristen betrieben werden. Ein guter Ansatzpunkt, neue Aktivitäten zu entwickeln, war für mich das Projekt Kunsthalle UG von Schöne Felder e.V. Davon würde ich gerne dauerhaft mehr sehen.

"Art X Augsburg" könnte ein wichtiger Baustein für den Aufbau einer Art IG Interessengemeinschaft Galerien – und Kunstprojekte werden. Vergleichbar den Lobbygruppen die es in unserer Region bereits bei den privaten Theatern und im Bereich der Clubkultur gibt. Ist die Zeit reif auch in der Gegenwartskunst organisiert aufzutreten, auch um die Stimmen der einzelnen zu verstärken?

Sehr gute Frage! Genau aus diesem Grund ist ja „Art X Augsburg“ ins Leben gerufen worden, um der Gegenwartskunst eine Stimme zu geben und organisiert aufzutreten. Ich würde mir das sehr wünschen und freue mich über weitere Mitstreiter, von denen ich auch schon den einen oder anderen gefunden habe.

Was stand / steht dem bisher im Weg?

Bisher gab es keinen Impulsgeber, und auch keine große Bereitschaft, sich zu organisieren. Galerien / Institutionen sind meistens Einzelkämpfer, ich glaube aber, dass wir gerade einen Wandel miterleben und bin stolz darauf, ihn für Augsburg initiiert zu haben.

Welche Vorteile durch so eine IG siehst du für Künstler, Kuratorenprojekte und Galerien?

Mehr Zusammenarbeit, Synergien, neue Besucher und vielleicht auch Kunstsammler, mehr Aufmerksamkeit und Umsatz für alle, denn jeder hat eine Gewinnerzielungsabsicht!

Hast du Pläne "Art X Augsburg" fortzusetzen?

Unbedingt! Die Vorbereitungen laufen schon.

"Ganz zauberhaft!"  | Von Bettina Kohlen | 6.9.2023 |  a3Kultur

Das Kunst-Netzwerkprojekt Art X Augsburg präsentiert Arbeiten von Anja Güthoff und Reiner Heidorn.

Bis zum Jahresende wird der Projektraum Augsburg Contemporary in der Bergstraße im Monatstakt von wechselnden Akteur*innen mit künstlerischem Leben gefüllt – das Netzwerkprojekt Art X Augsburg macht es möglich. Jeweils eine Institution und dazu die gastgebende Zweigstelle Berlin laden je eine*n Künstler*in ein. Für »air from another planet«, die vierte Auflage des Netzwerkprojektes, hat die Ecke Galerie die Objektkünstlerin Anja Güthoff gebeten, ihr Ausstellungspartner ist als Gast der Zweigstelle Berlin der Maler Reiner Heidorn.

Der Blick in den kleinen Ausstellungsraum versetzt die Besucher*in dieses Mal in ein entrücktes Setting. Reiner Heidorn, der in seiner Arbeit die Entfremdung des Menschen von der Natur thematisiert, inszeniert einen grünblau schimmernden Märchenwald mit Bäumen, Früchten und Zauberwesen, indem er Leinwand-Malerei mit bemalten Langspielplatten und Zweigen zusammenbringt. Sogkraft entwickelt vor allem der große, die Rückwand des Raumes einnehmende »dream of the white trees«. Zwischen hellen Baumstämmen blicken eine dunkelhaarige kleine Mangafigur mit Alienaugen und ihr Begleiter, ein milchweißes geisterhaftes Wesen – irgendwas zwischen Katze und Teddybär – hervor. Heidorn nutzt eine spezielle Maltechnik, Dissolutio genannt, deren bläschenartige Sprenkel die Situation sachte verschleiern. Der zunächst freundlich erstaunt scheinende Ausdruck des Tierwesens lässt bei längerer Betrachtung Zweifel, an dessen Harmlosigkeit aufkommen, das Manga-Mädchen hingegen irritiert von Beginn an. Aus dieser Unklarheit der Situation, aus der Verbindung von Waldschönheit und latenter Bedrohung erwächst ein bestimmender Reiz …

Heidorns raumgreifende Waldgeister kontert Anja Güthoff mit minutiös gestalteten Preziosen. Güthoff verfügt über die Gabe, im Alltäglichen, im unbedeutendsten Gegenstand etwas von Bedeutung zu sehen. Ihre hier gezeigten kleinteiligen Assemblagen erweisen sich als vielgestaltige Bühnen auf engstem Raum. Neben einem Tafelaufsatz – als Objekt und Malerei präsent – und der souveränen Windsbraut nehmen vor allem die visuellen Geschichten ein, die sie wie Klosterarbeiten unter Glasstürzen konserviert. Aus Natürlichem und Hergestelltem, Gefundenem und Gesammelten komponiert die Künstlerin mit barocker Inszenierungsfreude Erzählungen, in denen Plastikfigürchen, Zweige oder Seeigelskelette auf das wunderbarste zusammenfinden. Manchmal skurril, immer poetisch zeigen diese kleinen Reliquiare auch, wie sicher Güthoff Raum und Balance beherrscht: die reine Freude.

Die konzentrierte Schau der beiden Künstler*innen entwickelt im Zusammenspiel der Arbeiten einen magisch märchenhaften Sog, der sich schon beim Blick durch das altmodisch schöne Schaufenster erschließt. Galerist Andreas Stucken befand: »zauberhaft!«. Dem ist nichts hinzuzufügen …

Für die anschließende fünfte Ausstellung des Projektes (17. September bis 14. Oktober) hat die Maxgalerie den Bildhauer Manuel Frattini eingeladen. Seine Schau-Partnerin wird, als Gast der Zweigstelle Berlin, die Malerin Angela Stauber sein. Ein schönes Plus des Formats: Die persönliche Atmosphäre der Eröffnungen (erster Ausstellungstag 11 Uhr) ist wie geschaffen für anregende Gespräche mit den Künstler*innen.

"Eine andere Welt auf kleinem Raum" | Von Manfred Engelhardt | 26.8.2023 | Augsburger Allgemeine

"Auf dem Weg zu ständiger Galeristen-Kooperation" | Von Rüdiger Heinze | 13.5.2023 | Augsburger Allgemeine

"Im Kunstraum "augsburg contemporary" führt Andreas Stucken die Künstler unterschiedlicher Galeristen-"Ställe" zusammen. Ihm schwebt dabei ein großes Fernziel vor.

In mancher deutschen Großstadt arbeiten Galerien und Ausstellungshäuser hinsichtlich ihres Angebots Hand in Hand. In Berlin, Köln, Frankfurt, München gibt es etwa gemeinschaftliche Publikationen/Faltpläne, auf denen vermerkt ist, was wann wo zu sehen ist – oder, oft zum Start nach der Sommerpause, ein gemeinsames Kunst-Wochenende, an dem geballt neue Ausstellungen eröffnet werden. Vielfalt, Konkurrenz, Gleichzeitigkeit, Festivalcharakter beleben Betrachtung und Geschäft. Dass dies auch in Augsburg so sein möge, dafür ist jetzt der Aichacher Galerist Andreas Stucken mit einem ersten Schritt angetreten. 

Im Wunsch auf ein lokales, kleinregionales Netzwerk initiierte er, der von 2001 bis 2011 auch den Aichacher Kunstverein leitete, unter dem Titel Art X Augsburg eine Aktion, bei der bis Dezember im eingeführten Gögginger Kunstraum "augsburg contemporary" (Bergstraße 11) die zeitgenössischen Künstler anderer Galerien auf Künstler seiner (Internet-)Galerie namens "Zweigstelle Berlin" treffen. Beteiligt an der Kooperation sind: Kunstverein Augsburg, BBK Augsburg, Künstlervereinigung Ecke, Fotodiskurs Göggingen maxgalerie, Kunstraum Leitershofen sowie die Sammlung Finstral/Derching. Sie alle werden Künstler entsenden. Andreas Stuckens Hoffnung zielt aber auf mehr: dass sich künftig auch das Augsburger Zentrum für Gegenwartskunst H2, die Galerie Noah und die Galerie Brenner beteiligen mögen und diese erweiterte Kooperation dann ein ständiges Netzwerk ergibt. 

Zu sehen sind rätselvolle, stark gerasterte Foto-Ausdrucke

Den Auftakt der seitens der Stadt Augsburg finanziell unterstützten Aktion Art X Augsburg machten jetzt in "augsburg contemporary" Göggingen die Künstler Johannes Franzen (eingebracht von Christof Rehm/Fotodiskurs) und Florian Ecker, den Andreas Stucken als einen Künstler seiner (Internet-)Galerie "Zweigstelle Berlin" dazu gesellte. Um die 450 Arbeiten sind dabei in der kleinen Galerie zu sehen, und 432 davon stammen von Johannes Franzen, 1967 in Alf (Rheinland-Pfalz) geboren. Sie zeigen rätselvolle, stark gerasterte Foto-Ausdrucke (64 mal 64 Pixel auf etwa zehn mal zehn Zentimeter Bildfläche). Was dabei mehr oder weniger genau zu sehen sein könnte, obliegt zunächst allein dem Auge der Betrachter – samt angeschlossenem Hirn. 

Diese 432 Foto-Ausdrucke sind so brisant wie in einem positiven Sinne spektakulär. Sie zeigen die Versuche eines Bildgenerators, also einer Form künstlicher Intelligenz, ein Motiv zu erzeugen, das – als ein (anscheinend) echtes Foto – akzeptiert wird von einem Diskriminator, der auf Basis einer gespeicherten großen Foto-Datenmenge darauf spezialisiert und trainiert ist, gefälschte Fotos von echten zu unterscheiden. Zwei KI-Programme treten also wie Schachspieler gegeneinander an; ein jedes will sein Gegenüber immer ausgefeilter bezwingen. Ein künstlich generiertes Bild, das im Menschenauge als möglicherweise echtes Foto eines bekannten Motivs durchgehen könnte, enthält das Projekt mit 432 Ausdrucken nicht (allein schon wegen der starken Rasterung), indessen ist es fesselnd, die Auswürfe einer kontrolliert-lernenden Maschine zu betrachten, die sich praktisch einen Weg von einem abstrakt-monochromen Nullpunkt zu einer (Fake-)Gegenständlichkeit sucht. Die Faszination des Auges wird freilich begleitet vom flauen Gefühl, wohin uns die bislang ungeregelte KI-Entwicklung führen wird ... 

Dazu zeigt bis 27. Mai in "augsburg contemporary" der Bildhauer Florian Ecker (*1977, Erding) rund zwei Dutzend Bodenskulpturen: Eingefärbte Carrara-Marmorscheiben, deren Ränder von Profilschnitten inspiriert sind, ergeben ein flaches Puzzle, ein skulpturales Bild.

"Reihenweise Kunst in der Bergstraße" | Von Bettina Kohlen | 10.5.2023 | a3Kultur

Im Projektraum augsburg contemporary in der Bergstraße wurde die erste von sieben geplanten Ausstellungen des Netzwerkprojekts Art X Augsburg eröffnet. Zum Auftakt haben Christof Rehm (Fotodiskurs) und Andreas Stucken (Zweigstelle Berlin) den Fotokünstler Johannes Franzen und den Bildhauer Florian Ecker gebeten, den kleinen Raum mit dem großen Fenster zu bespielen.

Johannes Franzen, Meisterschüler von Peter Kubelka, setzt sich mit künstlicher Intelligenz auseinander, das heißt, er nützt selbstlernende Generatoren, um Bilder zu erzeugen. Doch Franzen unterläuft den maschinellen Prozess: Er gibt keine Kategorien vor, hält so die KI quasi dumm. Die zahllosen befremdlichen bildlichen Ergebnisse fasst Franzen hier zu zwei wandfüllenden Tableaus zusammen, ein Mosaik quadratischer pixelig bunter Fotos. Doch was ist da zu sehen? Der Versuch der Einordnung scheitert. Das einzelne Bild entzieht sich einer Deutung, lediglich Varianten eines Motivs, die sich immer wieder finden lassen, sorgen für Erkennen. Dieses merkwürdig anrührende Bemühen der KI, zu gefallen, führt zu ihrem Scheitern. Franzen führt uns hier vor, wie überraschend nah sich Mensch und Maschine sein können. Welche Folgen dies hat, steht auf einem ganz anderen Blatt …

Florian Ecker, Meisterschüler von Olaf Nicolai, arbeitet immer wieder mit Marmor, dem klassisches Bildhauermaterial. Für die hier gezeigte Arbeit untersucht er den bildlichen Aspekt der Skulptur, indem er dünne Marmorplatten, zugeschnitten mit Kanten und Kurven, wie Teile eines Puzzles auf dem Boden auslegt. Die Oberfläche der Platten, eigentlich ihre raue Unterseite, färbt er verschiedenfarbig ein, sodass zunächst die Materialität des Marmors kaschiert scheint. Da die Farbe aber in den empfindlich reagierenden Stein einzieht und ihn so direkt verändert, erweist sich die marmorne Flachware nicht als reiner Bildträger. Ecker verwischt hier die Grenzen von Bild und Skulptur, verweist aber auch auf die antike Praxis, Marmorstatuen farbig »anzuziehen«, denn diese waren ursprünglich nicht weiß, sondern leuchtend bunt.

Auf sehr unterschiedlichen Wegen untersuchen die beiden Künstler die Frage nach dem Wesen des Bildes, Vergangenheit und Zukunft treffen aufeinander, es entsteht eine vibrierende Spannung. Überzeugend! »latent|Bild|skulpural« läuft bis zum 27. Mai, geöffnet Freitag und Samstag von 14 bis 17 Uhr und nach Vereinbarung. Am 4. Juni geht es dann in die zweite Runde mit Arbeiten von Herbert X. Maier und Thomas Wunsch, kuratiert vom Kunstraum am Pfarrhof Leitershofen und der Zweigstelle Berlin.

Wie schön wäre es, wenn das Projekt sich, wie es Kulturreferent Jürgen K. Enninger in seiner Begrüßung formulierte, als  »großer Sprung nach vorn in der Augsburger Galerienlandschaft« erweisen würde …

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